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Warum sich europäische Unternehmen schwer tun, von US-Tech-Tools umzusteigen

Geschrieben von Wire | 21.07.2025 13:29:28

Europäische Organisationen wollen souveräne digitale Werkzeuge einsetzen. Tools, die in der EU entwickelt wurden, mit den Datenschutzbestimmungen übereinstimmen und auf Transparenz ausgelegt sind. Doch die Realität ist komplexer.
Unsere jüngste EU-Souveränitätsumfrage unter 273 Entscheidungsträgern aus den Bereichen IT, Compliance und öffentlicher Sektor zeigt ein klares Paradoxon:

  • Verschlüsselung, Open Source und EU-Datenhosting haben höchste Priorität.
  • Aber Microsoft Teams, Zoom und Slack bleiben die meistgenutzten Tools
  • Die Hindernisse? Benutzerwiderstand, Integrationsprobleme, Anbieterbindung und mangelndes Bewusstsein

Dieser Artikel untersucht, warum die Absicht nicht in die Tat umgesetzt wird und was notwendig ist, um die Souveränitätslücke zu schließen.

Worauf Unternehmen Wert legen

Auf die Frage nach den wichtigsten Kriterien für die Bewertung von Kommunikationsplattformen waren die Befragten eindeutig:

  • 84,2 % legen Wert auf Ende-zu-Ende-Verschlüsselung
  • 47,4 % betonen die Benutzerfreundlichkeit
  • 36,8 % nennen das Hosting von EU-Daten und Open-Source-Anmeldeinformationen als entscheidend.

Diese Präferenzen stehen im Einklang mit den Grundprinzipien der digitalen Souveränität: Datenschutz, Transparenz und Autonomie.

Doch die tatsächlich genutzten Tools erzählen eine andere Geschichte. Trotz der starken Ausrichtung auf Sicherheit und Souveränität verlassen sich die meisten Befragten immer noch auf US-amerikanische Plattformen. Teams, Zoom und Slack sind weit verbreitet, obwohl sie zentrale Kriterien wie die Kontrolle durch die Rechtsprechung und überprüfbare Verschlüsselung nicht erfüllen.

Diese Diskrepanz hat nichts mit mangelnder Besorgnis zu tun. Sie spiegelt reale, hartnäckige Hindernisse wider, die Unternehmen von einem Wechsel abhalten.

Die vier Hauptherausforderungen, die die Souveränität behindern

1. Benutzerakzeptanz und Widerstand gegen Veränderungen (63,2 %)

Bequemlichkeit, Routine und Trägheit gehören zu den am meisten unterschätzten Kräften bei der digitalen Transformation. Selbst wenn CISOs oder Datenschutzbeauftragte auf dringende Compliance-Risiken hinweisen, ist die Wahrnehmung unter den alltäglichen Nutzern oft die gleiche: "Warum reparieren, was nicht kaputt ist?"

In der Praxis stoßen neue Tools nicht auf Skepsis, was ihre Sicherheit betrifft, sondern auf Veränderungsmüdigkeit und wahrgenommene Komplexität. Dieser Widerstand ist in großen Unternehmen besonders ausgeprägt, in denen die Arbeitsabläufe fest verankert sind und neue Tools als Produktivitätsstörung angesehen werden. Für Mitarbeiter an vorderster Front oder nichttechnisches Personal kann selbst eine geringfügige Änderung der Benutzeroberfläche zu Reibungsverlusten führen.

Außerdem haben moderne Plattformen wie Teams und Slack eine Kultur der Bequemlichkeit gegenüber der Vorsicht normalisiert. Funktionen wie persistente Präsenz, Emoji-Reaktionen oder Thread-Chats sind zur täglichen Gewohnheit geworden, und jede Änderung, egal wie sicher oder souverän sie ist, muss sich gegen diese Bequemlichkeit behaupten. Ohne ein umfassendes Onboarding, Change Management und interne Befürworter werden selbst die überzeugendsten Tools kaum eine kritische Masse erreichen.

2. Integration mit bestehenden Systemen (57,9 %)

Digitale Ökosysteme sind komplexe Netze, keine isolierten Anwendungen. Tools wie Teams und Zoom sind tief in den Unternehmensstapel integriert: Outlook-Kalender, Active Directory, SharePoint, Jira und sogar HR-Systeme. Das Ersetzen einer Komponente löst oft eine Kaskade von Kompatibilitätsproblemen aus.

Diese Integrationstiefe verschafft den etablierten Unternehmen einen großen Vorteil. Microsofts Stärke liegt zum Beispiel nicht nur in Teams, sondern auch darin, dass Teams Ihren Kalender kennt, sich über verschiedene Anwendungen hinweg automatisch authentifiziert und sich direkt in bestehende Arbeitsabläufe einfügt. Für viele EU-eigene Tools ist es ein hartes Stück Arbeit, diese Nahtlosigkeit nachzuahmen.

Was als technische Hürde beginnt, wird oft zu einem politischen Risiko. Unternehmen vermeiden Risiken, und die vermeintliche Anfälligkeit von Integrationen kann vielversprechende Alternativen stoppen, bevor sie überhaupt getestet wurden. Souveräne Plattformen müssen beweisen, dass sie nicht nur existieren, sondern auch koexistieren, ohne den täglichen Betrieb zu beeinträchtigen.

3. Mangelndes Bewusstsein für Alternativen (36,8 %)

Sichtbarkeit ist Macht. Und EU-eigene Tools, egal wie innovativ oder sicher sie sind, haben immer noch mit der Auffindbarkeit zu kämpfen. In vielen Fällen greifen die Entscheidungsträger auf US-Plattformen zurück, nicht weil sie besser sind, sondern weil sie bekannt sind. Markenbekanntheit, Marktpräsenz und aggressive Unternehmensverkäufe üben eine Anziehungskraft aus, der man sich nur schwer entziehen kann.

In der Zwischenzeit arbeiten souveräne Tools oft mit begrenzten Marketingbudgets, fragmentierten Ökosystemen und minimaler Medienpräsenz. Selbst etablierte Plattformen, die alle Kriterien für Compliance und Verschlüsselung erfüllen, werden als "Nische" oder "nicht unternehmenstauglich" abgetan.

So entsteht ein Teufelskreis:

  • Geringe Bekanntheit führt zu geringer Akzeptanz
  • Geringe Akzeptanz bedeutet weniger Referenzen oder Erfolgsgeschichten
  • Und weniger Referenzen bedeuten weniger Glaubwürdigkeit in Beschaffungsprozessen

Solange EU-basierte Alternativen nicht zu Standardoptionen werden, wird die Souveränitätslücke fortbestehen, und zwar nicht aufgrund von Produktmängeln, sondern aufgrund fehlender Sichtbarkeit.

4. Lieferantenbindung und langfristige Verträge (26,3 %)

Selbst die motiviertesten Unternehmen sitzen oft in der Falle. Die Mechanismen der Anbieterbindung sind subtil, aber wirkungsvoll:

  • Mehrjährige Unternehmensverträge mit hohen Vorfälligkeitsentschädigungen
  • Daten sind in proprietären Formaten gefangen, die komplexe, kostspielige Migrationen erfordern
  • Interne Tools und Arbeitsabläufe, die an die APIs oder SSO-Mechanismen eines Anbieters angepasst sind

Ein Wechsel ist nicht nur mit finanziellen Kosten verbunden, er gefährdet auch die betriebliche Kontinuität. Das ist besonders entmutigend in kritischen Sektoren wie der öffentlichen Verwaltung, dem Gesundheitswesen oder Versorgungsunternehmen, wo Ausfallzeiten oder Unterbrechungen reale Konsequenzen haben.

"Es geht nicht um die Bereitschaft. Es geht um die Machbarkeit. Wir würden wechseln, aber wir können es uns nicht leisten, das, was heute funktioniert, zu zerstören", sagte ein IT-Leiter.

Echte Souveränität erfordert nicht nur bessere Werkzeuge, sondern auch bessere Ausstiegsmöglichkeiten: Beschaffungsstandards, die die Übertragbarkeit begünstigen, Finanzmittel für die Migrationsunterstützung und gesetzlicher Druck auf die etablierten Unternehmen, die Interoperabilität zu öffnen.

Schließen der Lücke zwischen Strategie und Umsetzung

Die meisten Teilnehmer an unserer Umfrage haben eine gemeinsame Absicht: die Abhängigkeit von ausländischen Anbietern zu verringern und Instrumente einzuführen, die den Werten und dem Rechtsrahmen der EU entsprechen. Aber eine starke Absicht ist nicht gleichbedeutend mit einer erfolgreichen Einführung.

Um bei der Souveränität schneller voranzukommen, brauchen die Unternehmen mehr als politische Signale. Sie brauchen:

  • Klare, unterstützte Wege, um von den dominanten Plattformen wegzukommen
    Wire bietet nahtlose, produktive Zusammenarbeit in einem All-in-One-Arbeitsbereich. Von sicherem Messaging und Konferenzen bis hin zu Dateifreigabe und Gastzugang - Wire unterstützt Teams bei der Umstellung, ohne dass die Benutzerfreundlichkeit oder die Einhaltung von Richtlinien beeinträchtigt wird.

  • Integrationstaugliche Alternativen mit starker UX und API-Kompatibilität
    Mit dem neuen Wire SDK und dem kommenden Integrations Marketplace können Teams benutzerdefinierte Anwendungen erstellen und bereitstellen, Workflows optimieren und die sichere Kommunikation verbessern - und das alles innerhalb des durchgängig verschlüsselten Ökosystems von Wire.

  • Unterstützung bei der Beschaffung und Sichtbarkeit für in Europa entwickelte Lösungen
    Wire steigert aktiv die Bekanntheit durch Initiativen wie Wire Uncut und kontinuierliche Vordenkerarbeit, um die Sichtbarkeit europäischer Innovationen im Bereich der sicheren Zusammenarbeit zu erhöhen.

  • Onboarding-Ressourcen für Endbenutzer zur Verringerung des Widerstands
    Der produktgesteuerte Wachstumsansatz von Wire ermöglicht es Unternehmen, die Plattform kostenlos auszuprobieren, schrittweise zu skalieren und die Benutzer in ihrem eigenen Tempo einzubinden, wodurch Reibungsverluste reduziert und die Akzeptanz beschleunigt werden.

Das Fazit:

Das Problem ist nicht der fehlende Wille, sondern der Mangel an praktischer Unterstützung, um Werte in die Tat umzusetzen. Wenn Europa die Souveränitätslücke wirklich schließen will, muss es mehr tun als nur regulieren. Es muss in Sichtbarkeit, Integration und Vermittlungsinfrastruktur investieren, um Souveränität nicht nur anzustreben, sondern auch durchführbar zu machen.