Europäische Organisationen wollen souveräne, datenschutzkonforme digitale Werkzeuge einsetzen: Tools, die in der EU entwickelt wurden, mit den europäischen Datenschutzbestimmungen übereinstimmen und transparente Standards verfolgen. Doch die Realität sieht anders aus.
Unsere aktuelle EU-Souveränitätsumfrage unter 273 IT-, Compliance- und Behördenverantwortlichen zeigt ein deutliches Paradoxon:
Dieser Beitrag analysiert die Ursachen für diese Diskrepanz – und zeigt auf, wie Unternehmen die Souveränitätslücke schließen können.
Die Befragten nannten folgende Auswahlkriterien für sichere Kommunikationsplattformen:
Diese Präferenzen spiegeln die Kernprinzipien der digitalen Souveränität wider: Datenschutz, Transparenz, Kontrolle. Doch trotz dieser Ambitionen bleibt die tatsächliche Toolwahl stark auf US-Plattformen fokussiert – auf Tools, die oftmals zentrale Transparenz- und Kontrollanforderungen nicht erfüllen, wie etwa Microsoft Teams, Slack oder Zoom.
Bequemlichkeit, Gewohnheit und Routine zählen zu den stärksten Hindernissen bei der Einführung sicherer Tools. Selbst wenn technologische Alternativen klar im Vorteil sind, empfinden viele Endnutzer Veränderungen als störend – im Arbeitsalltag, in der Oberfläche oder Funktionalität.
Ohne tiefgreifendes Change Management, ein strukturiertes Onboarding und pragmatische Step-by-Step-Modelle verpuffen selbst gut gemeinte Security-Initiativen häufig an der Basis.
Plattformen wie Microsoft Teams oder Zoom sind stark in Unternehmensprozesse eingebunden – über Kalender, SSO, Jira, SharePoint oder HRIS-Systeme. Neue Tools müssen kompatibel oder vollständig integrierbar sein, sonst werden sie rasch abgelehnt. Das ist nicht nur technisch, sondern oft auch politisch brisant.
Viele Entscheidungsträger greifen auf große Marken zurück, weil sie bekannt sind – nicht weil sie besser sind. Souveräne Tools aus Europa haben oft geringeres Marketingbudget, weniger Marktanteil und fehlen in gängigen Beschaffungsportalen.
Solange EU-Tools nicht als gleichwertige Standardoptionen erscheinen, bleibt der Markt einseitig.
Viele Unternehmen sitzen in mehrjährigen Lizenzverträgen, in denen Wechsel oder Exit-Strategien zu hohe operative oder rechtliche Reibung erzeugen. Besonders kritisch in regulierten Branchen oder der öffentlichen Verwaltung.
Selbst wenn gute Alternativen existieren, fehlt vielen Organisationen die strukturelle Möglichkeit, sie kurzfristig einzusetzen.
Das Ziel ist eindeutig: Europäische Organisationen möchten sich unabhängiger machen – von US-Plattformen, von intransparenten Geschäftsmodellen, von rechtlicher Unsicherheit. Doch Papier allein schafft keine echte Veränderung. Was es braucht:
Die digitale Souveränitätslücke in Europa ist keine Technikfrage, sondern ein Umsetzungsproblem. Wer Souveränität ernst meint, muss nicht nur Lösungen bauen – sondern Sichtbarkeit, Vernetzung und politische Flankierung gleich mitdenken. Der Wille ist da. Die Werkzeuge existieren. Jetzt kommt es auf die richtige Unterstützung an.