US-basierte Hyperscaler dominieren weiterhin die digitale Infrastruktur weltweit. Doch in Europa wächst die Bewegung, Daten nicht nur vor Cyberbedrohungen, sondern auch vor extraterritorialen Gesetzen zu schützen und vollständige regulatorische Compliance sicherzustellen. Cloud-Souveränität ist zu einem zentralen Bestandteil dieser Bestrebungen geworden.
Cloud-Souveränität bedeutet, dass Daten, Workloads, Anwendungen und digitale Infrastrukturen unter der rechtlichen Kontrolle des Landes oder der Region bleiben, in der sie betrieben werden. Sie geht über reine Datenresidenz hinaus. Für europäische Organisationen geht es um Transparenz und rechtliche Kontrolle darüber, wie und wo sensible Informationen gespeichert, verarbeitet und übertragen werden – und wer darauf zugreifen darf.
Warum Cloud-Souveränität für europäische Unternehmen wichtig ist
Für Unternehmen in der EU sind digitale und Cloud-Souveränität eng mit Vertrauen, Compliance und Wettbewerbsfähigkeit verknüpft. Vorschriften wie die DSGVO verlangen, dass personenbezogene Daten unter EU-Recht geschützt bleiben. Verstöße führen zu erheblichen Bußgeldern und langfristigem Reputationsschaden.
Besonders kritisch ist das Thema für Behörden, Betreiber kritischer Infrastrukturen (CNI) sowie für hochregulierte Branchen wie Gesundheitswesen und Finanzdienstleistungen. Diese Sektoren verarbeiten große Mengen sensibler Daten und unterliegen strengen Compliance-Anforderungen. Für sie ist Cloud-Souveränität entscheidend, um regionale Gesetze einzuhalten, operative Resilienz aufzubauen und sich vor ausländischer Überwachung zu schützen.
Wichtige Vorschriften und Standards zur Cloud-Souveränität
Die Europäische Union hat einige der umfassendsten Datenschutz- und Cybersicherheitsgesetze der Welt etabliert. Gemeinsam bilden sie den Rahmen für eine sichere und souveräne digitale Infrastruktur:
- DSGVO: Das Fundament des europäischen Datenschutzes. Sie gilt für alle Organisationen, die personenbezogene Daten von EU-Bürgern verarbeiten, unabhängig vom Standort. Sie schreibt Einwilligung, Datenminimierung, starke Verschlüsselung und Datenschutz durch Design vor. Mehr dazu in unserem Artikel Der Stand der digitalen Souveränität in Europa.
- NIS2-Richtlinie: Seit 2024 in Kraft verpflichtet sie Betreiber kritischer Infrastrukturen und digitale Dienstleister zu robusten Sicherheitsstrategien, Vorfallmeldungen und Risikomanagement in der Lieferkette. Sie verlangt nachvollziehbare Kommunikationsprotokolle und Schutz von Cloud-Workloads. Erfahren Sie mehr in unserem NIS2-Compliance-Überblick.
- EU Cloud und AI Development Act: Wird voraussichtlich 2025 eingeführt und soll die europäische Rechenzentrums-Kapazität ausbauen sowie einheitliche Regeln für sichere und nachhaltige Cloud-Nutzung im öffentlichen Sektor schaffen. Nationale Initiativen wie Frankreichs „Cloud de Confiance“ und Deutschlands Gaia-X ergänzen diesen Ansatz.
- EU Data Act: Tritt 2024 in Kraft und soll bis 2027 Anbieter-Bindungen abschaffen, Interoperabilität fördern und Unternehmen mehr Kontrolle über ihre Daten geben.
Souveräne Cloud vs. Private Cloud
Beide Modelle priorisieren Datenschutz, erfüllen jedoch unterschiedliche Zwecke:
Private Cloud: Eine dedizierte Infrastruktur für eine einzelne Organisation, die sich anpassen und skalieren lässt. Sie bietet Kontrolle über Daten und Workloads, erfüllt aber nicht automatisch nationale oder regionale Souveränitätsanforderungen. Wird sie von einem Nicht-EU-Anbieter betrieben, kann sie dennoch unter fremdes Recht fallen.
Souveräne Cloud: Ergänzt die Private-Cloud-Funktionalitäten um rechtliche und operative Schutzebenen. Sie gewährleistet regionale Kontrolle, volle Compliance und Schutz vor ausländischen Zugriffsrechten. Sie ist eine private Cloud mit rechtlicher Absicherung.
Europäische Cloud-Anbieter im Überblick
Der europäische Cloud-Markt wächst rasant und erreichte 2024 ein Volumen von rund 61 Milliarden Euro. Während US-Hyperscaler noch etwa 70 Prozent Marktanteil halten, gewinnen europäische Anbieter mit souveränen Lösungen zunehmend an Boden.
Bekannte europäische Cloud-Anbieter sind OVHcloud, Hetzner, Scaleway, STACKIT, Exoscale und Open Telekom Cloud. Viele dieser Anbieter fokussieren sich auf regulierte Branchen und bieten Cloud-Umgebungen an, die den EU- und länderspezifischen Vorgaben entsprechen. Eine Übersicht finden Sie in unserem Beitrag zu europäischen Alternativen zu Big Tech.
Risiken bei US-Anbietern
US-Hyperscaler bewerben „souveräne“ Cloud-Lösungen für Europa, bleiben jedoch US-Gesetzen unterworfen, die Zugriff auf Daten ermöglichen. Dazu gehören:
- CLOUD Act: Der Clarifying Lawful Overseas Use of Data Act erlaubt US-Behörden den Zugriff auf Daten amerikanischer Anbieter – auch wenn sie in der EU gespeichert sind. Mehr dazu in unserer Analyse zum CLOUD Act und der EU-Datensouveränität.
- FISA Section 702: Dieses Gesetz erlaubt US-Behörden, Informationen über Nicht-US-Bürger zu sammeln, ohne klassische Gerichtsbeschlüsse einzuholen.
Beide Gesetze stehen im Widerspruch zur DSGVO, die eine rechtliche Grundlage für Datentransfers außerhalb der EU fordert. Dadurch entsteht für EU-Unternehmen ein Compliance-Dilemma: Ihre Anbieter können gegen EU-Datenschutzstandards verstoßen. Mehr dazu lesen Sie in unserem Artikel über europäische Souveränität und Big-Tech-Verschlüsselung.
Best Practices für Cloud-Souveränität
Europäische Unternehmen können konkrete Maßnahmen ergreifen, um Cloud-Souveränität zu erreichen und gleichzeitig Agilität und Innovation zu sichern:
- Mit EU-basierten Anbietern arbeiten, die transparente Governance-Strukturen und Zertifizierungen gemäß NIS2 und DSGVO nachweisen.
- Open-Source-Plattformen einsetzen, um Transparenz zu schaffen und Abhängigkeiten von einzelnen Anbietern zu vermeiden. Offene Architekturen fördern Interoperabilität.
- Verschlüsselungsschlüssel selbst verwalten, damit ausschließlich Ihr Unternehmen – nicht der Anbieter – Zugriff auf sensible Daten hat.
- Compliance und Sicherheit kontinuierlich überwachen. Führen Sie regelmäßige Audits zu Datenflüssen, Verschlüsselungsstandards und internationalen Transfers durch.
- Interne Governance-Rahmen schaffen, die mit EU-Vorschriften und lokalen Sicherheitsstandards übereinstimmen. Sorgen Sie dafür, dass Audits und Notfall-Prozesse innerhalb der EU bleiben.
- Hybrid- oder Multi-Cloud-Modelle nutzen, die Workloads über vertrauenswürdige und konforme Anbieter verteilen. Verwenden Sie souveräne Clouds für sensible Daten und öffentliche Clouds für weniger kritische Anwendungen, um Skalierbarkeit und Kontrolle zu kombinieren.
Fazit
Cloud-Souveränität ist keine Option mehr, sondern eine strategische Notwendigkeit. Sie stärkt die digitale Unabhängigkeit, Compliance und das Vertrauen in europäische Infrastrukturen. Durch die Auswahl europäischer Anbieter, eigene Verschlüsselungskontrolle und klare Governance können Organisationen ihre Cloud-Umgebungen sicher, compliant und souverän gestalten.
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